Digitales Informationsmanagement DMS

“Digitales Informationsmanagement ist existenziell wichtig für KMU”

Die Digitalisierung bringt in puncto Informationsmanagement neue Anforderungen und Möglichkeiten mit sich. Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verwalten und organisieren ihre Geschäftsdokumente jedoch noch wie im letzten Jahrtausend – mit Papier und Aktenordnern. Das muss und wird sich zunehmend ändern, prognostiziert Experte Ulrich Kampffmeyer.

Frage: Wer als Unternehmer seine dokumentenbasierten Prozesse in die elektronische Welt überführen möchte, bekommt es früher oder später mit dem Begriff Enterprise-Content-Management, kurz: ECM, zu tun? Was ist darunter zu verstehen?

Ulrich Kampffmeyer: Enterprise-Content-Management ist ein Begriff, der von der Branche seit Jahren verwendet wird, um Funktionalitäten, Strategien und Methoden zu beschreiben, die zur Verwaltung und Erschließung elektronischer Informationen genutzt werden. Der Begriff hat sich in Deutschland nie durchgesetzt, und auch die Ziele eines allumfassenden, unternehmensweiten Enterprise-Content-Managements haben wir nur sehr selten erreicht. Mittlerweile wurde ECM links und rechts von neuen Entwicklungen überholt. Heute denkt auch der Mittelstand in Dimensionen des digitalen Wandels, der Digitalisierung. Hierfür benötigen wir weiterhin Komponenten aus dem ECM-Füllhorn, aber diese kann man mit Begriffen wie Rechnungseingangsverarbeitung, Dokumentenmanagement, elektronische Archivierung oder Geschäftsprozessmanagement besser verständlich machen.

Ulrich Kampffmeyer
Dr. Ulrich Kampffmeyer ist Geschäftsführer der Project Consult Unternehmensberatung GmbH, einer produkt- und herstellerunabhängigen Beratungsgesellschaft für Informationsmanagement mit Sitz in Hamburg. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig unter anderem mit Themen im Umfeld der revisionssicheren Archivierung und des Dokumentenmanagements.

Frage: Wo stehen die KMU in Deutschland bei der praktischen Umsetzung der genannten ECM-Komponenten?

Ulrich Kampffmeyer: Bei kleineren KMU stand in den letzten Jahren das Thema Archivierung im Vordergrund. Dieses Thema ist aber ständig erweitert worden, da auch Daten, Datensätze und andere neue Informationsformen aufbewahrt und erschlossen werden müssen. Vor der Archivierung liegen Systeme zur Verwaltung von E-Mails, Office-Dokumenten, Plänen und anderen Informationen. Hier leiden die meisten Unternehmen unter der “hybriden Welt”, das heißt, Informationen liegen auf Papier und in elektronischer Form vor – manche nur in einem Medium, aber häufig unkontrolliert redundant. Informationen wiederzufinden und festzustellen, was originär ist, gehört daher zu den täglichen Problemen, die Zeit, Ressourcen und Geld kosten.

Ein einheitliches Dokumentenmanagement mit Postkorbsystemen, Workflow, Scan-Strecken, Einbindung der Office- Dokumente und Unterstützung der Zusammenarbeit – Collaboration – ist noch nicht weit verbreitet. Durchgängiges Business process management, das Prozesse von Anfang bis Ende steuert, fehlt meistens. Stattdessen finden sich vielfach Insellösungen, bei denen zum Beispiel das Dokumentenmanagement an die Finanzbuchhaltung oder ein ERP angebunden ist und nur diesen Systemen zur Verfügung steht. Durch sichere, kostengünstige Angebote aus der Cloud steht hier aber ein grundsätzlicher Wandel bevor, der es gerade dem kleineren Mittelstand ermöglicht, auf professionelle Lösungen zuzugreifen. Blickt man auf Branchenvorreiter, dann sind Logistik-, Finanz- und Dienstleistungsunternehmen aktuell vorn. Aber: Digitalisierung ist ein existenziell wichtiges Thema für alle KMU.

 

“Unternehmen scheuen vor allem bei den Prozessen Veränderungen, obwohl hier die meisten Optimierungspotenziale liegen.”

 

Frage: Was hält Betriebe denn davon ab, beispielsweise eine durchgängige digitale Lösung für das Dokumentenmanagement zu implementieren?

Ulrich Kampffmeyer: Man kann heute davon ausgehen, dass die meisten ECM-, DMS-, Archiv- und wie auch immer genannten Produkte ausgereift sind. Die Probleme liegen beim Anwender selbst. Die Unternehmen sind nicht auf die organisatorischen, prozessualen und kulturellen Umstellungen vorbereitet. Besonders bei den Prozessen scheut man Veränderungen, obwohl hier die meisten Optimierungspotenziale liegen. Die vorhandenen Abläufe einfach in elektronischen Systemen nachzubilden führt nur zur Elektrifizierung der vorhandenen Ineffizienz in einer intransparenten Umgebung. Letzteres gilt besonders dann, wenn der demografische Wandel im Unternehmen zuschlägt. Informationsmanagementlösungen helfen hier, das Wissen zu bewahren. Die Menschen in den Unternehmen sind auch dann ein entscheidender Faktor, wenn es um die Ressourcen zur Planung, Vorbereitung und Umsetzung sowie den Betrieb einer aufwendigen Lösung fürs Informationsmanagement, wie ECM, geht. Entsprechende Projekte scheitern heute häufiger an der Umsetzung als an der Technik. Der Aufwand und die Folgekosten sind für KMU oft schwer zu kalkulieren.

Ebenfalls eine Rolle spielt, dass das Thema Informationsmanagement häufig nicht ausreichend auf der Geschäftsführungsebene priorisiert ist, da die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen gerade bei “weichen”, nicht sofort in Geld ausdrückbaren Nutzeneffekten recht schwierig ist. Wenn dann die Systeme nicht die Geschäftsstrategie unterstützen, werden sie häufig als reine Kostenposten betrachtet.

Frage: Benennen wir die Optimierungspotenziale konkret: Welche Vorteile bringt es einem KMU, wenn es in ECM investiert?

Ulrich Kampffmeyer: Hier sind zwei Bereiche zu unterscheiden: zum einen die Erfüllung rechtlicher Vorgaben und zum anderen die Unterstützung der Geschäftsprozesse durch Bereitstellung der richtigen, aktuellen und vollständigen Information für den Mitarbeiter – unabhängig von Ort, Zeit, Ursprung und Format. In puncto Compliance bzw. Corporate Governance ist zu beachten: Handels- und steuerrechtlich relevante Daten und Belege in elektronischer Form, wie Rechnungen oder e-mails, müssen im originären elektronischen Format vorgehalten werden. Ausdrucken hilft nicht mehr. Es bedarf also geeigneter digitaler Lösungen zur Aufbewahrung. Wichtiger ist jedoch, dass man die Informationen sinnvoll nutzbar macht und als Wissen in Prozesse einsteuert. Es gilt, Daten und Dokumente in elektronische Kunden-, Fall-, Projekt- und andere Strukturen einzuordnen, um das Papier aus den Prozessen herauszubekommen.

 

“Der richtige Nutzen kommt beim Informationsmanagement immer erst dann, wenn man eine einheitliche Lösung in möglichst vielen Bereichen des Unternehmens und der Prozesse einsetzt.”

 

Die elektronische Welt bietet die Möglichkeit, Lösungen nach und nach auszubauen, von der einfachen Archivierung bis hin zu Portalen, Collaboration und Geschäftsprozessmanagement. Dies setzt voraus, dass man sich nicht in Insellösungen verheddert. Es gibt einzelne Bereiche, in denen schnell Erfolge erzielt werden können – Beispiele sind die elektronische Rechnung und die elektronische Akte. Jedoch kommt der richtige Nutzen immer erst dann, wenn man eine einheitliche Lösung in möglichst vielen Bereichen des Unternehmens und der Prozesse einsetzt. Das erfordert eine vorausschauende Planung. Beispiel Eingangsprozesse: Es ergibt keinen Sinn, das Scannen von Rechnungen vom Scannen anderer Dokumente oder das Verwalten von E-Mails vom Empfang elektronischer Rechnungen usw. zu trennen. Stattdessen braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Eingangsinformationen aufbereitet in ein Postkorbsystem für die Mitarbeiter einstellt und die erfassten Daten gleich an die richtigen Anwendungen übergibt.

Auch bei der Archivierung ist ein ganzheitlicher Ansatz sinnvoll, weil alle Arten von Informationen in ihren Kontext gestellt werden müssen, unabhängig von Quelle und Format. Inseln zu bauen – etwa separate Lösungen für E-Mails, steuerlich relevante ERP-Daten usw. – ist unwirtschaftlich und schafft langfristig Probleme beim Betrieb.

Frage: Welche Rolle spielt ECM im Gesamtkontext der digitalen Transformation in Unternehmen?

Ulrich Kampffmeyer: Ganz einfach: Ohne ECM, ohne effizientes Informationsmanagement, ohne eine passende Infrastruktur kann und wird die digitale Transformation nicht funktionieren. Punkt. Digitalisierung und digitale Transformation betreffen weniger die Technik als neue Geschäftsmodelle: Wie kann man mithilfe von Kommunikations- und Softwaretechnologien neue oder bessere Services und Produkte an den Kunden bringen? Das ist nicht vorrangig das Thema von ECM, da Enterprise-Content-Management hauptsächlich auf die internen Prozesse und Informationen des Unternehmens zielt. Je mehr sich aber das Unternehmen in der digitalen Welt bewegt, desto mehr Daten und Dokumente entstehen. Diese müssen geschützt, erschlossen, verwaltet und genutzt werden. Damit Information einen Wert gewinnt und behält, muss sie bekannt sein und entsprechend ihrer Qualität und ihres Werts verwaltet werden. Das ist die Aufgabe von ECM.

 

“Von der Verfügbarkeit und Richtigkeit elektronischer Information sind alle Unternehmen inzwischen fast vollständig abhängig.”

 

Frage: Wie wird die Entwicklung in Sachen ECM Ihrer Einschätzung nach im Mittelstand weitergehen?

Ulrich Kampffmeyer: Der Einsatz dieser Technologien – egal, ob wir sie weiterhin ECM oder anders nennen – ist essenziell für alle Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben und einen Nutzen aus den Informationen ziehen wollen. Es ist daher keine Frage des Ob, sondern nur eine des Wie und Wann. Das Wann sollte längst eingetreten sein. Gerade das Thema Cloud wird ECM für den Mittelstand attraktiv machen, weil immer mehr Angebote in der Cloud auch Projektmanagement, Collaboration, Aufbewahrung und andere Dienste beinhalten. Dabei sollte man aber den Überblick behalten und sich nicht in Einzellösungen verzetteln. Es gilt, das Thema ECM strategisch zu betrachten, denn von der Verfügbarkeit und Richtigkeit elektronischer Information sind alle Unternehmen inzwischen fast vollständig abhängig.

Bildquellen: baona/iStockphoto.com (Beitragsbild oben), PROJECT CONSULT (Porträt)
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