Digitale Auftragsabwicklung in kleineren Unternehmen

Digitale Auftragsabwicklung für kleinere Unternehmen: Chancen, Voraussetzungen und Lösungen

 
Eine digitale Auftragsabwicklung hilft Ihnen, Ihre Kunden besser und schneller zu bedienen. Zugleich sinken dank effizienterer Prozesse die Betriebskosten. So weit die Theorie. Dieser Beitrag beschreibt, wie eine Digitalisierung der Auftragsabwicklung den Geschäftsalltag kleiner mittelständischer Firmen in der Praxis optimieren kann.

Über Digitalisierung wird viel geschrieben und geredet. Doch was hat ein kleines mittelständisches Unternehmen davon, wenn es zum Beispiel seine Auftragsabwicklung digitalisiert? Welche Hürden gibt es und wie kann man sie geschickt umgehen? Diese und weitere Fragen zur digitalen Auftragsabwicklung beantwortet dieser Blogbeitrag. Anhand eines fiktiven Unternehmens schauen wir uns an, welche Vorzüge eine digitale Auftragsabwicklung bieten kann. Ergänzend dazu erläutert ein Experte Chancen, Voraussetzungen und Lösungen zur Einführung einer digitalen Auftragsabwicklung.

Digitale Auftragsabwicklung – skizziert anhand eines Beispiels

Stellen wir uns einen Betrieb mit 30 Mitarbeitern vor. Das Unternehmen bietet Geräte für Raumklimatisierung und Raumhygiene an.  Es bezieht von verschiedenen Herstellern Gerätekomponenten, die es in seiner Werkhalle für die Kunden zusammenstellt und anpasst. Der Serviceaußendienst liefert die Anlagen zum Kunden, installiert sie und führt die Wartung durch.

Zur Auftragsabwicklung, von der Angebotserstellung bis zur Rechnungsstellung, setzt das Unternehmen eine Warenwirtschaftssoftware ein. Die Produktion wird über Fertigungsaufträge gesteuert. Materialentnahmen vermerken die Mitarbeiter auf Formularen und erfassen sie später in der Anwendung. Auch die Gerätekomponenten beschafft der Betrieb softwaregestützt.

Die Servicemitarbeiter laden in ihre Fahrzeuge die Teile, die sie beim Kunden benötigen. Sie sollen in ihren Fahrzeugen immer einen Vorrat gängiger Teile mitführen, um die Kunden möglichst schnell vor Ort bedienen zu können.

Der Anfang: Inwieweit ist mein Betrieb von Digitalisierung betroffen?

Dem Chef unseres fiktiven Unternehmens stellen sich nun zwei grundsätzliche Fragen zum Thema Digitalisierung:

1. Benötige ich für meine Kunden oder Lieferanten künftig einen digitalen Datenaustausch?

Immer mehr Firmen setzen eine digitale Datenübermittlung bei der Auftragserteilung und Auftragsannahme voraus. Häufig bieten Lieferanten bei digitalem Datenaustausch einen schnelleren oder besseren Service an. Die eingesetzte Software muss deshalb über entsprechende Schnittstellen verfügen, die sich weiterentwickeln und anpassen lassen. Ist das nicht der Fall, sollten jetzt die Alarmglocken läuten – und nicht erst dann, wenn der erste Kunde deswegen einen Auftrag nicht erteilt.

2. Kann ich durch digitale Auftragsabwicklung die Abläufe verbessern?

Die Art und Weise, wie ein Unternehmen seine Abläufe organisiert hat, entscheidet darüber, wie schnell und zuverlässig es die Kunden bedienen kann. Werden Bestellungen und Wünsche der Kunden präzise bearbeitet? Sind benötigte Teile am Lager? Ist die Serviceorganisation imstande, flexibel auf Notfälle zu reagieren? Hier kann eine digitale Auftragsabwicklung helfen, Schwachstellen in den Prozessen zu beseitigen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu stärken.

Zielvorgaben für die Optimierung der Auftragsabwicklung

Nach einer Betrachtung der Schwachstellen in den Abläufen formuliert unser Unternehmer konkrete Ziele, die durch eine digitale Auftragsabwicklung erreicht werden sollen:

  • Die Teileverfügbarkeit muss verbessert werden, damit Ausfallzeiten für Kunden reduziert werden.
  • Es muss jederzeit klar sein, welche Teile sich in einem Servicefahrzeug befinden und ob diese frei verfügbar sind. Dadurch soll die Serviceorganisation besser auf Kundenanfragen reagieren können.
  • Der Informationsfluss vom und zum Außendienst muss verbessert werden, beispielsweise bei der Bestellerfassung im Außendienst. Die Weitergabe in Papierform oder per E-Mail benötigt zu viel Zeit und ist fehleranfällig.

Durch Einbindung geeigneter Geräte an verschiedenen Stellen des Prozesses und durch Vernetzung lassen sich die Vorgaben unseres Beispielunternehmens umsetzen.
 

Digitale Auftragsabwicklung mobiler Scanner

Der Einsatz von mobilen Scannern sorgt für korrekt erfasste und aktuelle Daten

Beispiele für optimierte Prozesse durch digitale Auftragsabwicklung

Im nächsten Schritt seines Digitalisierungsvorhabens analysiert unser Unternehmer gemeinsam mit externen Experten die Prozesse der Auftragsabwicklung. Dabei wird das folgende IT-gestützte Lösungsszenario entwickelt:

  • Die Servicefahrzeuge werden künftig als separate Lagerplätze betrachtet. Dadurch können die Mitarbeiter im Service und im Innendienst die in jedem Fahrzeug verfügbaren Mengen einsehen. Der Einsatz mobiler Geräte mit Scannern beschleunigt die Bestückung und Entnahme beim Kunden und sichert sie gegen Falscherfassungen ab.
  • Im Servicefall kann der Innendienst Auskunft geben, ob ein benötigtes Teil in einem Fahrzeug verfügbar ist und dadurch die Hilfeleistung für den Kunden verbessern.
  • Der Servicemitarbeiter kann mittels eines mobilen Geräts mit Scanner sehr einfach die beim Kunden verwendeten Teile kennzeichnen. Diese werden im System als verbraucht und damit nicht mehr verfügbar angezeigt. Der Einkauf kann gegebenenfalls sofort eine Nachbestellung auslösen. Auf gleichem Wege kann der Außendienstmitarbeiter die Lieferung zusätzlicher Teile oder Dienstleistungen veranlassen.
  • Die im Außendienst erfassten Daten fließen unmittelbar in die Rechnungsstellung ein. Dadurch wird nichts vergessen und Verzögerungen vermieden.

So macht eine digitale Auftragsabwicklung auch kleinere Betriebe zukunftsfit

Durch eine digitale Auftragsabwicklung lassen sich die Abläufe auch in einem kleineren Unternehmen nachhaltig verbessern. Zum einen stehen dem Innen- und Außendienst mehr und bessere Daten zur Verfügung. Dies vereinfacht und beschleunigt die Abwicklung, und die Servicemitarbeiter können die Kunden besser bedienen. Zum anderen legt die neu geschaffene digitale Infrastruktur das Fundament für künftige Optimierungen. Denn Digitalisierung wird auch die Betriebsabläufe kleiner Mittelständler weiter verändern.

Wie eine digitale Auftragsabwicklung genau realisiert werden kann und wo potenzielle Hürden liegen, erläutert Professor Dr. Jochen Scheeg im folgenden Interview.
 

INTERVIEW mit Prof. Dr. Jochen Scheeg

“Die digitale Auftragsabwicklung ist die Voraussetzung für effiziente Prozesse”

Weshalb kann es für Unternehmen ungünstig sein, die Auftragsabwicklung papierbasiert und manuell durchzuführen?

Prof. Dr. Scheeg: Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die Auftragsabwicklung ein umfassender Vorgang mit zahlreichen Arbeitsschritten und Dokumenten ist. Der Auftrag als solcher ist zwar der Kern des Prozesses, jedoch stellt dieser nur einen kleinen Ausschnitt in der gesamten Abwicklung dar. Daher muss man sich die gesamte Prozesskette mit ihren Teilschritten – von der Angebotserstellung über die Auftragsbestätigung bis hin zur Erstellung und/oder Prüfung von Lieferscheinen – vor Augen halten. Um diese Prozesskette effizient bearbeiten zu können, ist es notwendig, dass sämtliche Beteiligte den gleichen Informationsstand haben. Dabei gilt: Je arbeitsteiliger der Prozess von der Angebotserstellung bis hin zur Lieferung organisiert ist, desto wichtiger ist der einheitliche Informationsstand.

Die Nutzung von Papier führt zwangsläufig zu Informationsasymmetrien. Das bedeutet, die Beteiligten haben nicht den gleichen Informationsstand. Häufig müssen Daten doppelt erfasst werden: auf Papier und später noch einmal im System.

Weitere Nachteile des papierbasierten Arbeitens: Papier ist nicht automatisch aktuell. Das führt zu Abweichungen in Zeit und Inhalt. Papier kann zudem verloren gehen, verlegt oder beschädigt werden.

Darüber hinaus kann man nur eingeschränkt gemeinsam an Vorgängen arbeiten. All dies akzeptieren wir nur deshalb, weil wir an Papier gewöhnt sind. Zusammenfassend lässt sich sagen: Papierbasierte Prozesse tendieren zu Informationsasymmetrien und diese führen zu Ineffizienz.
 

Jochen Scheeg
Prof. Dr. Jochen Scheeg ist Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationsmanagement und Unternehmensführung. Bei seinen Forschungsarbeiten steht die digitale Transformation von Unternehmen und Verwaltung im Mittelpunkt. Vor seiner Berufung an die Technische Hochschule Brandenburg war er mehr als 15 Jahre in Leitungspositionen in der IT- und Telekommunikationsindustrie und Beratung tätig. Die Technische Hochschule Brandenburg ist mit dem Institut für Innovations- und Informationsmanagement Partner von Gemeinsam digital.

 
Was haben Unternehmen konkret davon, wenn sie die Prozesse der Auftragsabwicklung digitalisieren?

Scheeg: Die digitale Auftragsabwicklung ist die Voraussetzung für einen effizienten Prozess. Der praktische Nutzen entsteht bei allen Mitarbeitenden, die auf Informationen anderer angewiesen sind. Lassen Sie mich das am Beispiel der Warenannahme auf Basis von Lieferscheinen verdeutlichen.

Nehmen wir für den Moment an, die Aufgabe besteht darin, eine Lieferung auf Basis eines Lieferscheins zu prüfen. Hierzu muss die Warenannahme die Bestellung mit all ihren Positionen mit der entsprechenden Menge kennen. Das avisierte Lieferdatum und die Ankündigung möglicher Teillieferungen unterstützen die Arbeitsplanung. Im weiteren Verlauf der Prüfung können Abweichungen in Art und Menge der Lieferung unmittelbar mit der Einkaufsabteilung geteilt werden. Diese kann entsprechend den Wareneingang buchen, Reklamationen veranlassen, Nachbestellungen auslösen und mit den Lieferanten eine Klärung herbeiführen.

Es muss nicht die “große” Lösung für die digitale Auftragsabwicklung sein.

 
Viele Mittelständler befürchten bei der Digitalisierung hohen technologischen Aufwand und setzen sie deshalb immer wieder an das Ende der Agenda. Welche grundlegenden Voraussetzungen sollten denn erfüllt sein, bevor ein Projekt zur Digitalisierung der Auftragsabwicklung starten kann?

Scheeg: Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Der Fokus liegt hier weniger auf der Technik als auf den Prozessen. Eine zentrale Grundlage ist es sicherlich, stabile Prozesse zu haben. Sobald die Prozesse hinreichend definiert und stabil sind, lassen sie sich auch digital unterstützen. Die Kernfragen sind dann: Wie umfassend soll eine digitale Lösung sein? Welches Potenzial an Digitalisierung soll unmittelbar ausgeschöpft werden und welche Potenziale lassen sich gegebenenfalls später mit einer vernünftigen Aufwand-Nutzen-Relation erschließen?

Unabhängig von der Unternehmensgröße ist die Einführung von betrieblicher Software immer mit erheblichem Zeit- und Ressourcenaufwand für die Beteiligten verbunden. Gerade bei KMU haben Unternehmer vielfach wenig Erfahrung und fühlen sich bei den Entscheidungen unsicher. Dadurch entsteht zuweilen die Tendenz zur Einführung sehr großer und komplexer Lösungen. Der Hintergrund für solche Entscheidungen ist die Vermutung oder Hoffnung, dass durch die Entscheidung für eine große Lösung die Zukunftssicherheit quasi garantiert ist. Die größere Lösung muss jedoch nicht besser sein – und auch nicht zukunftssicherer.

Zudem benötigen nicht alle Unternehmen Echtzeitdaten zu Lagerbeständen, und nicht alle benötigen voll automatisierte Buchungsroutinen. Daher sollten zunächst die zentralen Probleme bzw. Handlungsfelder identifiziert werden.

So kann eine digitale Auftragsabwicklung optimal implementiert werden.

 
Wie geht man die Digitalisierung der Auftragsabwicklung am besten an? Welche Schritte sollten in welcher Reihenfolge gemacht werden?

Scheeg: Gute Digitalisierungsprojekte schaffen Vorteile und fügen sich in die Arbeitsabläufe ein. Den Startpunkt bildet die Formulierung der Zielstellung. Auf dieser Basis erfolgt eine umfassende Analyse der Ausgangssituation. Hierzu zählen auch die Analyse von verfügbaren Technologien, die Identifikation von marktverfügbaren Lösungen, Trendermittlungen etc. Es geht also keinesfalls nur um die Betrachtung eines Ausschnitts einer Prozesskette.

Auf Basis der Analyse und der Ermittlung des Bedarfs in den Prozessen und in den Bedürfnissen der Prozessbeteiligten werden die Kernergebnisse und -erkenntnisse zusammengefasst. Diese sogenannte Synthese ist der Ausgangspunkt für die Gestaltung von Lösungsansätzen.

Im nächsten Schritt sind die Lösungsansätze, gegebenenfalls anhand von Prototypen, zu testen. Falls mehrere Lösungsansätze realisiert wurden, sind diese zu vergleichen. Erst im nächsten Schritt wird dann die ausgewählte Lösung implementiert.

Es darf auf keinen Fall vergessen werden, die Qualifikationen und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Jede Lösung kann am Ende ihr Potenzial nur in der aktiven Nutzung entfalten.

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Es geht immer um unternehmerischen Nutzen im Sinne von Effizienz oder Effektivität – oder beidem gleichzeitig. So lässt sich beispielsweise durch Digitalisierung mit positiven Nutzererlebnissen mehr Umsatz realisieren. Oder Prozesse können effizienter und robuster gestaltet werden.

Gibt es hinsichtlich der Digitalisierung der Auftragsabwicklung branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen?

Scheeg: Jede Branche hat eigene Schwerpunkte. Jedes Unternehmen hat seinen eigenen Startpunkt. Handel und Dienstleistungen sind oft geprägt durch die Gestaltung der Kundeninteraktion bis hin zu sogenannten Kundenerlebnissen. Hier geht es bei der Digitalisierung primär um Shopgestaltung, Nutzerführung, Auftrags- und Kundenanalysen etc. Bei der Effizienz der Auftragsabwicklung geht es im Kern um die Warenwirtschaft, automatisierte Katalogdaten und/oder Schnittstellen der Warenwirtschaft zum Großhandel oder zu Herstellern mit Produktdaten. Im Handwerk sind die Kernthemen oftmals die automatisierte Angebotserstellung bzw. die Auftragsdokumentation zur Vorbereitung der Rechnungsstellung.

Darauf sollten Sie bei der Einführung besonders achten.

 
Wie finden Unternehmer heraus, welchen Grad an Digitalisierung sie in der Auftragsabwicklung brauchen, damit ihr Betrieb künftig wettbewerbsfähig bleibt?

Scheeg: In den seltensten Fällen haben KMU alle Ressourcen mit dem notwendigen Fachwissen an Bord. Es ist daher hilfreich und üblich, sich externe Unterstützung zu holen. Nach unserer Erfahrung ist es gut, wenn diese Unterstützung – gerade in den frühen Phasen – nicht von Softwareherstellern kommt, sondern herstellerunabhängig erfolgt.

Es gibt mittlerweile zahlreiche kleine, intelligente Lösungen, die einzelne Problemstellungen hervorragend lösen. Bei der Auswahl sollte auf Schnittstellen und Datenaustauschmöglichkeiten geachtet werden.

Mit dem gewonnenen Verständnis zur Nutzung und mit zunehmender Erfahrung lässt sich der tatsächliche Bedarf besser abschätzen. Gerade für KMU hat der Spruch “Groß denken und klein anfangen” einen besonderen Wahrheitsgehalt.


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